Oberin im Konvent Jerusalem

Sr. M. Daniela Gabor ist seit 15 Jahren Oberin im Konvent Jerusalem und stets um Ausgleich bemüht. Das Wohl ihrer Schützlinge im Kindergarten liegt ihr besonders am Herzen.

Sr. M. Daniela Gabor

Sr. Daniela ist Oberin von St. Charles in Jerusalem

Anmerkung: Das Gespräch fand ca. 3 Wochen vor dem Kriegsausbruch am 7.10.2023 statt.

Zunächst einmal vielen herzlichen Dank Sr. Daniela für die Gelegenheit dieses Gespräches während unseres Besuches anlässlich der 2. Pilgerreise des Freundeskreises.

Sie leben schon seit vielen Jahren im Heiligen Land. Wie ist es dazu gekommen?

Ich wurde in Rumänien geboren und lebe seit 1992 als Ordensfrau der Borromäerinnen im Hl. Land. Mein Entschluss der Ordensgemeinschaft der Borromäerinnen beizutreten, hat entscheidend zu tun mit dem Kapitel 20 im Buch Jeremia. Dort heißt es: „Du hast mich betört, o Herr, / und ich ließ mich betören;/ du hast mich gepackt und überwältigt.“ Diese Erfahrung wurde mir als junge Frau zuteil, und so trat ich im Alter von 22 Jahren der Ordensgemeinschaft der Borromäerinnen bei.

Nach meinem Noviziat und dem damit verbundenen ersten Gelübde wurde ich nach Ägypten versetzt, wo ich an der Deutschen Schule der Borromäerinnen meine Ausbildung als Erzieherin abschloss und danach nach Jerusalem zurückkehrte.

Schon seit 1905 waren die Borromäerinnen in der Heiligen Stadt in die Erziehungsarbeit eingebunden. Diese soziale Tätigkeit erfuhr dann bedingt durch die politischen Umstände im Jahre 1999 ein abruptes Ende und wurde kurz danach durch den Aufbau unseres Kindergartens, an dem ich beteiligt war, weitergeführt.

Zudem nahm ich verschiedene weitere Aufgaben in unserer Klostergemeinschaft wahr. Im Jahr 2008 wurde ich als Nachfolgerin von der hoch geschätzten und inzwischen verstorbenen Sr. M. Xavaria Jelitzka zur Oberin unserer hiesigen Gemeinschaft gewählt.

Aktuell sind wir sieben Schwestern und sind bemüht, sowohl in unserem Pilgerhaus als auch in unserem Kindergarten unsere vielfältigen Aufgaben zu erfüllen.

Erläutern sie bitte kurz die Geschichte von St. Charles.

Bereits 1893 wurde hier in der „German Colony“ von den Schwestern eine Krankenstation eröffnet. 1905 bezogen sie den noch heute bestehenden Bau. Das Anwesen wurde im Laufe der Zeit vergrößert. 1912 erwarben wir den weitläufigen Garten. 1934 nahmen wir zum ersten Mal Pilger bei uns auf.

St. Charles Jerusalem

 St. Charles in Jerusalem

Im 2. Weltkrieg sahen wir uns vor besonderen Herausforderungen gestellt, denn die deutschen Schwestern in Palästina wurden bei uns interniert, ebenso die Mönche der Benediktinerabtei Dormitio, einige Zimmer wurden von britischen Offizieren belegt.

Wir waren besonders dankbar dafür, dass wir uns nach dem Krieg um Überlebende der Shoah (Opfer des Holocaust) kümmern durften. So betreuten unsere Schwestern eingewanderte deutsche Juden, die den Holocaust überstanden hatten.

Der Kindergarten in St. Charles

Heute verfügen wir über ein modernes Pilgerhaus mit 80 Betten und einen Kindergarten mit 130 Kindern.

Worin sehen Sie ihre Aufgaben?

Wir sind bemüht, in unserem täglichen Einsatz dem caritativen Geist unseres Patrons des hl. Karl Borromäus, zu folgen. So betreuen wir die Gäste unseres Pilgerhauses, die aus der ganzen Welt zu uns kommen und kümmern uns zusammen mit den Erzieherinnen um unsere 130 Schützlinge in unserem Kindergarten. Wann immer wir  darüberhinaus mit sozialen Fragen und Problemen konfrontiert werden, versuchen wir diesen gerecht zu werden, soweit es uns möglich ist.

Was meinen Sie damit?

Wir sehen uns mit einer Reihe von Einzelschicksalen konfrontiert, bei denen oft spontane Hilfeleistung erforderlich ist, die wir nach besten Kräften leisten. Wir erfüllen unsere Aufgaben in aller Stille und sind froh, dass wir vielen Menschen eine Stütze im Alltag sein können.

Was sind aktuell die besonderen Herausforderungen?

Wir stehen in einem politischen Spannungsfeld und sehen uns als ein Ort der Ruhe und des toleranten Miteinanders in einer konfliktbeladenen Welt. „Friede den Kommenden, Freude den Bleibenden, Segen den Scheidenden“ – in diesem Geiste wollen wir einen kleinen Beitrag zu einer liebevollen Lebensgestaltung in einer liebenswürdigen Gesellschaft leisten.

Was sind die größten Sorgen der Oberin von St. Charles?

Mein Bestreben ist das Bewahren unserer intakten harmonischen kleinen Gemeinschaft angesichts der unsere Gesellschaft ständig herausfordernden vielfältigen Ängste und Nöte, verbunden mit den Werteverlusten, denen sich der moderne Mensch ausgesetzt sieht.

Aber auch die finanziellen Belastungen, wie sie die Führung unseres Pilgerhauses und Kindergartens zwangsläufig mit sich bringen, stellen ein ständiges Problem in unserem Alltag dar.

Wie kann der Freundeskreis Sie unterstützen?

Neben der ideellen Unterstützung, wie wir sie durch die ständige Kontaktpflege mit dem Freundeskreis erfahren, sind wir für jede Hilfe, die man uns angedeihen läßt, besonders dankbar.

Welche Schicksale hat Sie in Ihrer bisherigen Tätigkeit als Ordensschwester besonders berührt?

In vielen zurückliegenden Jahren hatten wir jährlich für einige Wochen Holocaust- Überlebende in unserem Haus. Oft waren wir erschüttert zu hören, welches abgrundtiefe Leid diese Menschen erdulden mussten, das sie bis zum Ende ihres Lebens gezeichnet hat. Das dürfen wir und folgende Generationen niemals vergessen.

Welche Kontakte/Beziehungen pflegen Sie zur Bevölkerung/zu Institutionen?

Mit anderen Ordensgemeinschaften stehen wir in mitschwesterlicher guter Verbindung.

Die Kontakte mit öffentlichen Institutionen werden von gegenseitigem Respekt und Verständnis getragen. In der German Colony haben wir zu unseren Nachbarn ein sehr gutes Verhältnis.

Warum ist das St. Charles Pilgerhaus bei deutschen Gästen so beliebt?

Unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem sozialen Status sind uns all jene willkommen, die bei uns einen Ort des Rückzugs und der friedlichen Gemeinsamkeit suchen. Wir stehen ihnen für Gespräche zur Verfügung und öffnen uns für Diskussionen, bei denen absolute Vertraulichkeit garantiert ist.

Welche Auswirkungen haben/hatten die Spannungen zwischen Israel und dem Palästinensischen Volk auf die Besucherzahlen in St. Charles?

Die Besucherzahlen unterliegen natürlich der nicht immer stabilen gesamtpolitischen Lage und sind von den damit verbundenen Tendenzen abhängig. Dabei spielt auch die mediale Darstellung im Ausland eine wichtige Rolle, die letztlich auch das Buchungsverhalten unserer Gäste nicht immer positiv beeinflusst.

DANKE Sr. Daniela

Redaktion:  Freundeskreis der Borromäerinnen Kloster Grafschaft e.V.,erstellt beim Besuch des Freundeskreises, anlässlich der 2. Pilgerreise vom 15.-22.9. also vor dem brutalen Angriff der Hamas am 7.10.2023.